Der Erfinder des Meissner Porzellans
Einer der bizarrsten Fälle von Gefangennahme und Einkerkerung eines Alchemisten betraf Johann Friedrich Böttger, einen jungen Apothekergehilfen aus Berlin. Von seinem vielbeschäftigten Meister eines Tages - man schrieb das Jahr 1701 - zur Behandlung eines kranken Adepten ausgesandt, stellte Böttger fest, daß es sich bei dem Mann um Lascaris Archimandrita, jenen legendären Alchemisten handelte, von dem man wußte, daß er im Besitz des Steins der Weisen war, den er mit einer für Alchemisten unerhörten Freigebigkeit auch anderen gab.
Er stellte sich als Archimandrake eines Konvents auf der Insel Mytilene vor und behauptete, er sei nach Westen gereist, um Almosen für denFreiheitskampf christlicher Gefangener im Osten zu erbitten (ein immerhin ungewöhnliches Unternehmen für jemanden, der denStein besaß).Mit Hilfe von Böttgers Arznei besserte sich Lascaris' Gesundheitszustand rasch. Aus Dankbarkeit schenkte er dem jungen Apotheker eine großzügig bemessene Menge seines Transmutations-Pulvers, jedoch unter der Bedingung, daß Böttger dieQuelle des Geschenks niemals preisgeben und es nicht benutzen werde, bevor sein Wohltäter Berlin verlassen habe, was jener umgehend tat.
 
Die erstaunlichen Transmutationen, die Böttger mit Hilfe des Pulvers vollbrachte, machten ihn mit einem Schlag reich und angesehen, um so mehr, als er durchblicken ließ, er sei im Besitz der geheimen Kunst, das Pulver selbst herzustellen. Berichte über seine Fähigkeiten kamen bald dem preußischen König Friedrich Wilhelm I. zu Ohren, der ihn sofort an den Hof bestellen ließ. Da er das Schlimmste befürchtete, floh Böttger zu seinem Onkel nach Wittenberg, wo er alsbald Gegenstand eines Streits zwischen Friedrich Wilhelm und August, dem Kurfürsten von Sachsen, wurde, der, was nicht überrascht, ein lebhaftes Interesse an dem in sein Territorium Zugewanderten bekundete.
 
Der König verlangte, daß Böttger als preußischer Bürger sofort an Preußen ausgeliefert werde. Der Kurfürst erwiderte, Böttger befinde sich auf sächsischem Boden, und auf sächsischem Boden werde er auch bleiben - Punktum. Böttger wurde von seinem neuen Souverän wärmstens willkommen geheißen, da August hoffte, in ihm eine von der Vorsehung gesandte Lösung für seine kostspielige Leidenschaft, chinesisches Porzellan zu sammeln, vor sich zu haben. Nach einer eindrucksvollen Transmutations -Demonstration belohnte der Kurfürst seinen neuen Untertan mit dem Titel eines Barons.
 
Böttger richtete sich in Dresden luxuriös ein und lebte in Saus und Braus, bis der letzte Krümel seines Pulvers verbraucht - und er selbst tief verschuldet war. Seine Diener (und Gläubiger) verbreiteten das Gerücht, er beabsichtige zu fliehen, und der Kurfürst ließ, aus Angst vor dem Verlust seines wertvollen Fangs,Böttgers Haus von Wachen umstellen und hielt den verschwenderischen Adepten faktisch unter Hausarrest.
 

So lebte und arbeitete Böttger mehrere Jahre, und obwohl der Kurfürst alle notwendigen Apparate für die Produktion des Steins zur Verfügung stellte, kam bei den Experimenten nichtsheraus. Aber immerhin war Böttger gelernter Apotheker, und im Zuge seiner immer verzweifelteren Laborversuche wurde aus ihm ein erstklassiger Chemiker. Schließlich entdeckte er eine Methode für die Herstellung von Porzellan, und glücklicherweise fügte es sich, daß diese Erfindung für den Kurfürsten genauso wertvoll war wie der Stein der Weisen. Böttger genoß wieder die kurfürstliche Gunst und ein extravagantes Leben, das ihn allerdings schon mit 37 Jahren -1719- ins Grab brachte. Der Kurfürst besaß da bereits eine unbezahlbare Porzellansammlung aus eigener Produktion.

 

Quelle :
Allison Coudert - Der Stein der Weisen
Pawlak Verlag ISBN 3-88199-911-6